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INHALT "K-ZUG"  
   
 

KATASTROPHENZÜGE DER DR

 
 
DIE K-ZUG-FUNKTIONSWAGEN
NERVENWAGEN N1 + N2, NERVEN-/BEGLEITERWAGEN N3 - die vielleicht "ausgefallendesten" Bahndienstwagen der DR)
 
Dann wären da noch die drei Sonderkrankenwagen „Nerven“ N1 – N3 als wahre "Erlkönige"...
Sie gehören mit Sicherheit nicht nur wegen ihres außergewöhnlichen Einsatzzweckes zu den „merkwürdigsten“ Fahrzeugen im Wagenbestand der DR überhaupt und wurden ausschließlich für Einsätze im D1072 für die Sowjetarmee auf deren unbedingte Veranlassung vorgehalten.
 
N1 und N2 waren von 1952 an und der N3 seit seiner Indienststellung in den 1960-er Jahren als Sonderkrankenwagen bis zur Einstellung des Zuglaufs 1993 für die Rückführung akut-psychiatrischer Militärangehöriger der Roten Armee aus der DDR in die SU auf der Relation Beelitz-Heilstätten – Frankfurt(O) – Brest im Einsatz.
 
Der N1. Die letzte Untersuchung des Fahrzeuges vor der Abstellung war nach glaubhaften Angaben am 13.03.92 im RAW Potsdam....
 
Krankenabteil im Funktionswagen N2 (Nervenwagen 2)...
 
Das LOWA-Werk in Bautzen (der spätere VEB Waggonbau Bautzen) liefert ebenfalls 1951 die ersten Nachkriegsreisezugwagen für den Bestand der DR. Es handelte sich um Schlafwagen 1. und 2. Klasse (WLAB) bzw.3. Klasse (WLC) – ebenfalls für den ausschließlichen Einsatz im D1 / D2 auf der Relation Berlin - Brest - Berlin im Militärreiseverkehr für die Rote Armee / Sowjetarmee.
Bei den WLAB4ü-51 handelt es sich um Schlafwagen 1. und 2. Klasse, die von ihrem äußeren Erscheinungsbild und auch ihrer Fahrzeugtechnik ihren Ursprung in dem windschnittigen Schnellzug-Sitzwagen C4ü-38 der DRG hatten. Sofort auffallender Unterschied sie die am WLAB5ü-51 verwendeten moderneren Dachlüfter der Bauart "Kuckuck" gegenüber den "Wendler"-Luftsaugern am DRG-Wagen. Wagenkästen des WLAB wurden nicht für den Aufbau von K-Zug-Fahrzeugen verwendet...
 
Eine 2. Serie von windschnittigen Schlafwagen baute der spätere Waggonbau Bautzen als Schlafwagen 3. Klasse. Die Rohbauwagenkästen und das Fahrgestell waren identisch mit denen des WLAB4ü-51, hatten aber infolge der anderen Raumaufteilung nicht 8 Schlafabteile + 1 Begleiterabteil wie beim WLAB, sondern wegen der beidseitig im Abteil angebrachten Liegen (je 2 übereinander) nur 7 Schlafabteile und ein Begleiter-Halbabteil. Auch deren Einsatz erfolgte zunächst im "Blauen Express". Später - nach Abschaffung der 3. Wagenklasse - verwendete die DR die Wagen als Liegewagen im Binnenverkehr (Bcüe).
Der Serie für die WLC4ü-51 wurde ein zusätzlicher Wagenkasten entnommen und als kompletter Neubau als Sonderkrankenwagen N2 aufgebaut.
 
Technische Daten:
LüP: 21270mm
Eigenmasse: 40t
Drehgestelle"Görlitz-III-leicht"
Das Fahrzeug besaß zunächst Faltenbalg-Übergänge, die im Rahmen der Erhaltung im RAW Delitzsch gegen Gummiwulst-Übergänge ersetzt wurden.
Die beiden Nervenwagen wurden zeitweise abweichend von den anderen K-Zug-Fahrzeugen vom RAW Delitzsch unterhalten
Entgegen der bei fast allen K-Zug-Wagen üblichen autarken Heizanlage besaß der N1 (und auch der N2!) nur eine Dampfheizanlage, die durch die Heizleitung des Zuges versorgt wurde.
 
Einen Wagen der Gattung C4ü-38 konnte ich im Jahr 2003 in einem Schadwagenzug in Leipzig Hbf fotografieren. Der Wagen gehörte damals zum Wagenbestand des Museums Nürnberg.
 
 
Anfang der 50-er Jahre lieferten der Waggonbau Görlitz (WUMAG) und Bautzen unter Zuhilfenahme brauchbarer Altteile und zahlreicher neuer Baugruppen auf der Basis von C4ü-36-Reisetugwagen 22 Schlafwagen 3. Klasse an die DR, die die Fahrzeuge zunächst ausschließlich im Zugpaar D1/D2, bekannt als „Blauer Express“ zum Einsatz brachte.
Die 3. Serie der in Bautzen gebauten Schlafwagen waren ebenfall WLC, die sog. WLC4ü-50. Diese Wagen sind bezüglich des Wagenkastens ein Nachbau des C4ü-35. Beim WLC4ü-50 handel es sich um einen Ganzstahl-Schnellzugwagen mit eingezogenen Kopfstücken. Die Lieferung des WLC4ü-50 erfolgte bis zum Jahr 1961. Analog zum WLAB5ü-51 ist auch der WLC4ü-50 sofort an den moderneren Dachlüfter der Bauart "Kuckuck" gegenüber den "Wendler"-Luftsaugern des C4ü-36 zu unterscheiden.
Ein solcher Wagenkasten außerhalb der genannten 22 Wagen war Grundlage des N2. 
 
Das Foto vom N2 stellte mir Heinrich Priesterjahn dankenswerter Weise zur Verfügung.
 
Technische Daten:
LüP: 21270mm
Eigenmasse: 40t
Drehgestelle"Görlitz-III-leicht"
Zum Zeitpunkt der Indienststellung hatte der N2 die DRG-typischen Fallfenster, die später gegen solche, wie sie an den Modernisierungswagen verbaut wurden, ersetzt. Auch er hat ursprünglich Faltenbalg-Übergänge, die im Rahmen der Modernisierung durch Gummiwulst-Übergänge ersetzt wurden.
 
Nervenwagen N2.1992, als die beiden Nervenwagen noch im Einsatz standen, hat Norbert Schmitz beide Fahrzeuge in Seddin fotografieren können und mir gestattet, die Fotos hier zu zeigen.
 
Seitengang im N1.
 
Die Funktionswagen "N1" und "N2" waren nach der Abstellung der letzten Altbau-Bettenwagen neben den Heizkesselwagen gewissermaßen die "Alterspräsidenten" im K-Zug-Wagenpark der DR... Die beiden Altbaufahrzeuge N1 und N2 sind nie durch Neubaufahrzeuge ersetzt worden und blieben bis zu Beginn der 90-er Jahre im Einsatz im Laz1072 von Beelitz-Heilstätten über Teupitz nach Brest. Sie erhielt erst am 13.03.1992 ihre letzte Frist.
 
Mit der Indienststellung des N3 – das war eine Kombination aus Nervenwagen und Begleiterwagen glaubte man die optimale Lösung gefunden zu haben - es gab im N3 einige von den N1 und N2 schon bekannten vergitterten „Verwahrabteile“ für Patienten mit tatsächlichen oder herbeigeredeten psychiatrischen Erkrankungen und einige Begleiterabteile als Übernachtungsabteile für das medizinischen Personal und das Küchenpersonal...
 
Er entstand durch Umbau eines Bg-Modernisierungswagens aus dem Reisezugwagenbestand der DR. Die DR baute ab 1961 im RAW Delitzsch Vorkriegs-Schnellzugwagen unter Verwendung noch brauchbare Baugruppen der älteren Wagenzu einem für die damalige Zeit modernen Schnellzugwagen um. Zunächst waren nur geschweißte Wagen der Verwendungsgruppe 35 und Schürzenwagen der Gruppe 39 zum Umbau vorgesehen, Später sind auch genieteten Wagen der Verwendungsgruppe 29 (D 3), Eilzugwagen E 36 (D 9) und ausländische, nach dem Zweiten Weltkrieg bei der DR verbliebene, Wagen umgebaut worden. Von dem Spenderwagen wurden nur der Bodenrahmen, das Laufwerk und die Bremsanlage übernommen.
Übernommen wurden anfangsauch die Drehgestelle Bauart Görlitz-III, die aber auf Rollenlager umgerüstet wurden. Die Masse der Wagen schwankte zwischen 34 und 40 Tonnen. Die Übergänge waren als Gummiwulstübergang ausgeführt. Die bündig mit der Außenwand liegenden Einstiegstüren waren Drehtüren mit versetztem Drehpunkt.
Ausgerüstet waren die Modernisierungswagen mit einer Niederdruckumlaufdampfheizung Nuhz, die meisten verfügten auch über Widerstandsheizkörper zur elektrischen Beheizung des Innenraums. Die Beleuchtung wurde durch Gleichstromgeneratoren, die bei den Altbaudrehgestellen von einer Achse durch Riemen, bei den Görlitz-V-Drehgestellen durch Gelenkwellen angetrieben wurden, gespeist und im Stand von einer 110-V-Batterie versorgt.
 
Den Dokumenten zur K-Zug-Leiter-Tagung 1989 ist zu entnehmen, dass ab 1991 die Ablösung u.a. der Nervenwagen N1 und N2 durch modernere Fahrzeuge geplant war.
Es war bisher nicht in Erfahrung zu bringen, welcher Wagentyp als Spenderwagen dienen sollte. Aber es ist zu vermuten, dass man auf den als Liegewagen (Bcm) vom Waggonbau Bautzen gefertigten 26,4m-Seitengangwagen zurückgegriffen hätte, dessen Wagenkasten identisch mit dem des vom RAW Halberstadt gefertigten Sitzwagen Bm war.
Die LüP von 26,4m hätte dann allerdings auch die Erhaltung dieser Wagen im RAW Wittenberge bedingt.
 
Die 3 Nervenwagen werden häufig auch als Zellenwagen bezeichnet. Sie haben aber mit den zum Häftlingstransport durch das Ministerium des Inneren der DDR genutzten Zellenwagen der Gattung "Z" nichts gemein. Sie entsprachen mit ihrem Innenraumkonzept viel eher den im "Archipel Gulak" recht ausführlich beschriebenen "Stolypins" der SZD - eine Art Liegewagen für den Häftlingstransport. Sie behielten auch die bei den Zellenwagen der Bauart ZC4i der DR zurückgebauten Übergangsmöglichkeit an den Kopfstücken. Damit beantwortet sich auch eine eventuelle Frage bezüglich der Nutzung der DR-Zellenwagen als Nervenwagen und umgekehrt von selbst mit einem ausdrücklichen "nein".
 
Offenbar angelockt durch die frischen Fristen der beiden "Sonderlinge" im DR-Wagenpark wurden beide Wagen von den Eisenbahnfreunden Betzdorf / Sieg erworben. Sie planten den Einsatz der beiden Fahrzeuge als Sitzwagen im Museumsbetrieb. Um die Fahrzeuge als Sitzwagen herzurichten, wurde beide Wagen entkernt. Das EBA versagte dem Verein aber die Inbetriebnahme als Sitzwagen wegen der nicht vorhandenen Türblockiereinrichtung. Schließlich waren die Wagen als Bahndienstwagen gebaut und zugelassen worden - und hatten deshalb als Reisezugwagen bezüglich der Türblockiereinrichtung keinen Bestandsschutz.
Der N1 in Betzdorf entkernte N1 wurde zwischenzeitlich verschrottet. Der entkernte N2 wurde an die Jugendherberge Kratzeburg in Mecklenburg-Vorpommern verkauft. Dort erhielt er eine neue Inneneinrichtung in der Art eines Liegewagens und wird als Unterkunftswagen genutzt - an sein wirkliches Leben erinnerte nichts mehr. Mittlerweise ist auch er verschrottet.
  So gesehen war es nicht, wie Thomas Dießner schreibt, ein Glück, dass die Wagen den Betzdorfern in die Hände fielen - mit etwas mehr Geschichts- und Sachverstand hätten diese Wagen mit ihrer einmaligen Inneneinrichtung erhalten werden können. So aber wurde die Inneneinrichtung liquidiert...  
     
 
 
     
 
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©2018 Burkhardt Köhler