MARKRANSTÄDTER EISENBAHN-PAGE | ||||||||||
|
WIE
GUT IST ROCOS P8 ? |
ROCOS
ERSTES TT-MODELL OHNE "H0-MUTTER" |
TEIL
1 - DAS VORBILD |
||
![]() |
||
Mehr oder weniger überraschend hat Roco die P8 in 1:120 Anfang 2011 in Nürnberg angekündigt – als DR-EP-IV- und als DB-EP-III-Modell, mit Auslieferungstermin 48.KW 2011. Die Auslieferung begann nun in der 47.KW. Dampflokomotiven in 1:120 aus dem Hause Roco stehen spätestens seit der Ankündigung der BR44 unter ganz besonderer Beobachtung der TT-Freunde. Roco selbst hat da eine gehörige Aktie dran, weil eben im Rahmen der Ankündigung des Modells die „Weltrevolution im TT-Dampflokmodellbau“ angekündigt wurde und eben dann die 44 als ein Modell erschien, dessen Hersteller auch nur mit Wasser gekocht hat. Und diese „besondere Beobachtung“ hat die 44 über die 18 201 nun auch an die 38.10-40 vererbt. | ||
Bisher hat Roco im TT-Sektor immer schon am Markt befindlichen 1:87-Modelle auf 1:120 geschrumpft (132, 120, T478.3, 44, 18 201), mit der preußischen P8 ist nun erstmals bei Roco ein 1:120-Modell ohne vorhandenen „H0-Hintergrund“ gefertigt worden. | ||
![]() |
||
das P8-Modell
der 38 3860 aus dem Hause Roco |
||
Und nun steht sie also vor mir – die von vielen TT-Freunden seit Jahren erwartete „schöne Hässliche“ in Großserienqualität – aus dem Hause Roco in DR-EP-IV-Ausführung mit 2-domigem Kessel und Quetschesse. Und natürlich freut es mich persönlich ganz besonders, dass es mit der 38 3860 eine „Zittauerin“ geworden ist. Ihr Vorbild ist die als letzte abgestellte / ausgemusterte P8 der DR. | ||
>>> Im Jargon der BW-Leipzig-West-Personale wäre 38 3860 eine „Pfui-P8“ (P8 mit original-WLB und Giesl) – eine Steigerungsform dazu gab es auch: die „Pfui-pfui-P8“ mit Giesl und Witte-WLB… <<< | ||
Trotzdem – bei allem Herzblut – gelobe ich Objektivität beim Test. Und natürlich auch gleich das: Ja, die P8 ist mein Eigentum, steht leibhaftig vor mir… Fahrtests erfolgen auf Bettungsgleis, Kurvenradius 310mm. Fahrversuche auf altem BTTB-Gleis mit R286 stelle ich nicht an. | ||
Allerdings - und das trübt das Bild von dem Modell ganz gehörig - das nun zum Test verwendete Modell ist nun bereits das 3.Modell, nachdem die ersten beiden Modelle wegen technischer Mängel an den Händler zurück gingen. Das waren keine Kleinigkeiten... | ||
Eigentlich soll man ja keine
Groß- und Kleinserienmodelle unmittelbar miteinander vergleichen,
aber der direkte Vergleich mit der 38.2 von Beckmann drängt sich hier
geradezu auf. Zudem die beiden Modelle auch preislich zwar merklich, aber
nicht über Gebühr auseinander liegen. Und dann ist da auch noch die Ankündigung der Fa. Tillig, ebenfalls die P8 in 2012 in den TT-Markt pumpen zu wollen. So lautet natürlich einer der Fragestellungen an den Test, ob die Roco-Maschine so gut ist, dass man nicht auf das Tillig-Modell warten muss oder ob es doch angezeigt ist, vor der Kaufentscheidung auch das Tillig-Modell testen zu können. |
||
Den Anfang machen auch beim P8-Test die üblichen geschichtlichen und statistischen Dinge des Vorbildes – also technische Angaben, Entstehungsgeschichte und die „Statistikorgie“. Aber nein – etwas anders als bei den bisherigen Tests ist der Vorbildteil schon. Geschuldet der langen Beschaffungszeit, den vielen Veränderungen schon während des Baus und erst recht während der extrem langen Betriebszeit lässt sich so etwas vollumfänglich und sinnvoll komprimiert nicht stemmen. Hier muss ich einfach auf die entsprechende Literatur verweisen. Abweichend von den bisher durch mich geschriebenen Tests werde ich mich im Vorbildteil ausschließlich auf die Geschichte der P8 in Ostsachsen beziehen. | ||
Zum
Vorbild |
||
Die P8 der KPEV | ||
1906 schlug die Geburtsstunde der preußischen P8 – ihr geistiger Vater war der Lokomotivdezernent der KPEV, Robert Garbe. „Zeugen“ wollte er eigentlich eine Schnellzuglok, die 110km/h laufen können sollte. Geworden ist sie allerding eine Personenzuglok mit 100km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit. Mehr ließ das traditionell preußisch – besser „garbisch“ – sparsam ausgelegte, nur mangelhaft ausgeglichene Fahr-/Triebwerk nicht zu… | ||
![]() |
||
Bis 1923 wurde insgesamt 3948 P8 in gebaut. Rumänien und Polen bauten die P8 (in Polen auch in verstärkter Ausführung als Ok22) noch nach, deutlich länger als bis 1923. Die beiden Weltkriege verstreuten die Preußin mit der heiser bellenden Aussprach in viele Länder Europas. | ||
Die beiden Weltkriege haben den
P8-Bestand erheblich dezimiert. Bei der DR verblieben 1945 xxx Maschinen in allgemein sehr schlechtem Zustand. Viele bei der DR verbliebene Maschinen standen infolge von Kriegsschäden jahrelang in eigentlich verschrottungswürdigem Zustand auf „z“, ehe sie mit enorm großem Aufwand seitens der RAW wieder in Fahrt kamen. 122 Maschinen erreichten bei den beiden deutschen Bahnverwaltungen Dienstalter von mehr als 50 Jahren. Gesamtlaufleistungen von 3 Mio km waren gar nicht so selten. Letzte Ausmusterung: DB >>> 1974, DR >>> 1973 |
||
Technik | ||
Bauart: 2'C h2 Gattung: P 35.17 Spurweite: 1435 mm (Normalspur) Länge über Puffer: 18.585 mm Höhe: 4.550 mm Achsstand mit Tender: 15.565 mm Leermasse: 70,7 t Dienstmasse: 76,69 t Reibungsmasse: 50,60 t Radsatzfahrmasse: 17,36 t Genieteter Blechrahmen Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h (vorwärts). 50 km/h (rückwärts) |
||
Triebwerk | ||
2-Zylinder-Heißdampf-Triebwerk Heusinger-Steuerung Indizierte Leistung: 868 kW Zylinderdurchmesser: 575 mm Kolbenhub: 630 mm |
||
Laufwerk | ||
Achsfolge 2’C h2 Treibraddurchmesser: 1.750 mm Laufraddurchmesser vorn: 1.000 mm |
||
Kessel | ||
Garbescher Kessel (genietet)
mit zwischen den Rahmenwangen eingezogener Feuerbüchse – baugleich
und austauschbar mit dem G10-Kessel. Pzulässig: 12 bar Rohrheizfläche: 129,32 m³, Anzahl der Heizrohre: 119 Anzahl der Rauchrohre: 26 Rohrlänge 4700 mm Strahlungsheizfläche 14,58 m² Überhitzerfläche 58,90 m² Rostfläche 2,58 m² Verdampfungsheizfläche: 143,28 m² |
||
Bremse | ||
selbsttätige Einkammerdruckluftbremse Bauart Knorr, doppelseitig auf die Kuppelräder wirkend, ab Baujahr 1913 auch Drehgestellräder abgebremst | ||
Tender | ||
pr 2‘2’T21,5 als
Standardtender, teilweise mit Plattenrahmen-DG 21,5m3 Wasser 7t Kohle Ausgewählte 38.10 liefen mit dem von der P10/S10 bekannten 31,5-er Tender (pr 2‘2’T31,5). Und es gab einige wenige 38.10-40, die bereits noch während des II.WK einen für die BR52.0-77 "überzähligen" Wannentender erhielten. 2 davon erlebten das Kriegsende in der späteren SBZ und kamen zur DR. Eine P8 mit Wannentender ist also nicht automatisch eine "DB-Lok"... |
||
![]() |
||
21,5-er Tender |
||
Während der langen Dienstzeit gab es sehr viele Bauartänderungen. Genannt sei in diesem Zusammenhang insbesondere | ||
- die Ausrüstung mit verstärktem
Rahmen - Verkleinerung der Zylinderdurchmesser - die Ausrüstung mit Oberflächenvorwärme - die Überarbeitung der Steuerung (Kuhnsche Schleife statt Hängeeisen) - Verstärkung der Bremse |
||
Die P8 war mit ihrem Triebwerk eine durchaus leistungsfähige Lok – Grenzen setzte hier insbesondere der relativ kleine, sich recht schnell erschöpfende Kessel mit nur 12bar zulässigem Betriebsdruck. Bezüglich der Feuerungstechnik des Heizers galt die P8 als ausgesprochen anspruchsvoll… | ||
Schon kurz nach dem Zusammenschluss der deutschen Länderbahnen zur Reichsbahn kamen viele P8 auch in die "nichtpreußischen" Direktionen, so z.B. bereits 1921 in die sächsische Direktion Dresden. Man kann bedenkenlos behaupten, dass es keine Reichsbahndirektion gab, die vor Beginn des II.WK keine P8 im Bestand hatte. | ||
Die 38.10 war im Rahmen ihrer sich aus ihrer Reibungsmasse von rund 50t ergebenden Möglichkeiten eine sehr leistungsfähige Lok. Sie war für nahezu alle Einsatzgebiete einsetzbar, wobei der schwere Schnell- und Güterzugdienst sowie auch typische Rampendienste auszuschließen sind. | ||
"Hauptbetätigungsfeld" der P8 war aber immer der Personen- und Eilzugdienst - sowohl im Flachland, als auch im Hügelland. Nach dem 2.WK oblag der P8 aber z.B. auch der planmäßige Schnellzugdienst im Elbtal zwischen Dresden und dem Grenzbahnhof Bad Schandau bis zur Ablösung durch die Neubauloks der BR 23.10. | ||
Nach dem 2.WK waren die 38.10 bei der DR in höchstem Maße gefordert: Neben dem zahlenmäßigen Mangel an leistungsfähigeren Reisezuglokomotiven waren es vor allem die nur noch 1-gleisigen Strecken, auf den die Züge zur Erzielung einer maximalen Transportleistung sehr lang wurden. | ||
Die erhalten gebliebenen P8 sind: | ||
38 1182 VM Dresden, Bw Arnstadt 38 1444 WM LHB, Salzgitter-Watenstedt 38 1772 Hamburg EB Tradition, Privatbesitz HH 38 2267 DGEG Bochum-Dahlhausen 38 2383 DDM Neuenmarkt - Neuenmarkt-Wirsberg 38 2425 Berlin MVT Berlin 38 2884 VM Nürnberg 38 2460 (ex CFR 230.094) Nördlingen - EF Schwalm-Knüll 38 1772 EF Betzdorf e.V. 38 1301 ÖGEG (A) 64045 Leuven (B) Ok 1-359 Wolsztyn (PL) CFR 230.039 Subcetate (ROM) |
||
Die
P8 in Ostsachsen |
||
In aller Kürze: | ||
- erstes P8-BW im (heute) ostsächsischen
Raum war 1917 das BW Görlitz (damals schlesisch und zur preußischen
Direktion Breslau gehörig ) - die ostsächsischen (und zur Direktion Dresden gehörigen) BW Bautzen und Zittau erhielten ihre ersten P8 nach 1925. - Haupteinsatzgebiet waren der Eil- und Personenzugverkehr auf den Strecken Görlitz – Dresden, Zittau – Dresden, Görlitz – Cottbus und Hoyerswerda – Bautzen – Bad Schandau – hier teilte sich die P8 teilweise die Dienste mit dem „Rollwagen“ XIIH2. Auf den kurzen Strecken „rund um den Kirchturm“ fuhr man mit Tenderlokomotiven (zeitlich versetzt 91, 75.5, 75.4,10-11, 64 und 86). Aufgrund der anspruchsvollen Streckenprofile war die Möglichkeit des planmäßiger Einsatz der P8 im Schnellzugdienst nicht gegeben. - Bezüglich des Personen- und Eilzugverkehrs auf der Strecke Zittau – Dresden gab es zur P8 keine leistungsfähigere Alternative. Aufgrund des baulich schlechten Zustandes der Talbrücken nach 1945 verbot sich ein Einsatz von Dampflok mit höherer Achsfahrmasse bzw. Meterlast… |
||
Der P8 blieb auf der Zittauer Schiene jegliche Degradierung in untergeordnete Dienste erspart. Bis zu ihrer Abstellung oblag ihr der Eilzugdienst zwischen Zittau und Dresden. Die Ablösung durch die BR110 konnte nur durch Fahrzeitverlängerung und den Ersatz der planmäßigen „Beutewagen“ durch Bghw vollzogen werden. Ein wirklicher Ersatz für die P8 erfolgte dann erst mit der Beheimatung von Lok der BR 118.2-4 in Zittau… | ||
In Ostsachsen waren es folgende P8, die noch die Umzeichnung am 01.06.1970 erlebten: | ||
38 1493 - Bautzen / 01.07.1970
z / 02.07.1970 Ausgemustert |
||
Die 38 3860 | ||
Der Lebenslauf der 38 3860 hat nur wenige Stationen und ist schnell erzählt: | ||
31.12.1916: Abnahme Henschel
mit Nr. 13911 als Saarbrücken 2451 - RBD Saarbrücken 15.03.1920: Umzeichnung in SAAR 242838 Saarbrücken 28.02.1935: Umzeichnung in 38 3860 Saarbrücken Hbf 01.03.1935: Übernahme DRG BW Saarbrücken Hbf 15.06.1940: Auslagerung nach RBD ? 15.10.1944: RAW Meiningen 30.11.1945: RAW Meiningen - wartet auf Ausbesserung 01.01.1947: RAW Meiningen - Z-Stellung 01.01.1954: BW Vacha - wieder im Einsatzbestand 20.10.1966: BW Zittau - Einbau Giesl-Flachejektor 31.05.1970: BW Zittau - Umzeichnung in 38 3860 21.12.1972: BW Zittau - Z-Stellung 30.07.1973: BW Zittau - ausgemustert |
||
Sie war damit die letzte betriebsfähige P8 der DR überhaupt. Die letzten Tage bis zu ihrer Ausmusterung verbrachte sie in Zittau als Heizlok. Die Verschrottung erfolgte 1975 in Cottbus. | ||
Die 38 3860 war es auch, die 1972 gemeinsam mit der 38 2471 den P8-Abschiedszug durch die Oberlausitz führte. | ||
Mitte der 60-er Jahre steckte die DR letztmalig Geld (ja - in diesem Falle sogar "Westgeld") in ihren P8-Bestand: Neben zahlreichen Loks der Baureihen 50, 52, 52.80, 01.5 und 65.10 erhielten auch 75 Loks der Baureihe 38.10 noch den sog. "Giesl-Ejektor". Mit diesem in österreichischer Lizenz gefertigten Flachschornstein- abfällig häufig Quetschesse genannt -gelangen an der P8 Leistungssteigerungen um 10 bis20% bzw. Brennstoffeinsparungen in etwa der gleichen Größenordnung. | ||
Die 38 3860 gehörte zu diesen 75 Maschinen, die einen "Giesl" erhielten. | ||
Der Giesl veränderte die "Aussprache" der P8 ganz wesentlich. Aus dem typischen scharf abgehackten Belfern der P8 mit Normalschlot wurde ein irgendwie heiser klingendes Schnaiben. Der Begriff "Hundelunge" trifft es als Beschreibung ganz gut... | ||
![]() |
||
©2004 Burkhardt Köhler |